ENDERGEBNISSE PILOTPHASE

Gute Leistungen – mit Luft nach oben

Die Pilotphase des Nachhaltigkeitsmoduls Milch war auf drei Jahre angelegt. Erste Ergebnisse aus den Befragungen der Landwirte wurden bereits veröffentlicht. Obwohl die Erkenntnisse noch nicht repräsentativ sind, lassen sich einige Trends erkennen.

In einer großangelegten Erhebung werden deutschlandweit Landwirte von insgesamt 34 teilnehmenden Molkereien systematisch befragt, wie nachhaltig sie Milch produzieren.

Zum Ende der Pilotprojektphase im Juni 2019 sind die Fragebögen und Antworten von nahezu 7.500 Milcherzeugern in eine Zwischen- sowie Endauswertung eingeflossen – und damit bereits von rund zwölf Prozent aller deutschen Milchviehbetriebe. Damit ist schon jetzt ein in Deutschland einmaliger Wissensstand erreicht, der eine Zwischenbilanz und erste Rückschlüsse erlaubt, auch wenn diese Ergebnisse noch nicht repräsentativ sind. Denn die vorliegenden Antworten stammen vorwiegend von Milcherzeugern aus dem Nordwesten Deutschlands, deren Herden mit 95 Kühen größer sind als im bundesweiten Durchschnitt.

Positiv: die Tierhaltung – kritisch: das Nährstoffmanagement

In der Februarausgabe 2019 des monatlich erscheinenden Fachmagazins „top agrar“ wurden die ersten Erkenntnisse aus den Befragungen veröffentlicht. Erkennbar seien demnach „erhebliche Leistungen“ der Milcherzeuger, aber auch „Verbesserungs- und Entwicklungspotenzial“. Als kritisch gelten zum Beispiel die hohe Arbeitsbelastung oder auch das Nährstoffmanagement. Positiv falle dagegen auf, wie die Landwirte zur Biodiversität beitragen. Auch im Bereich der Tierhaltung gebe es gute Leistungen. Die Beispiele im Detail:

Haltung und Management: 94 Prozent der Kühe leben in Laufställen und nicht mehr in Anbindehaltung. Special-Needs-Bereiche und Einrichtungen zur Verbesserung des Kuhkomforts sind mittlerweile auf den meisten Höfen vorhanden. Auch das Kuh-Fressplatz-Verhältnis richtet sich mit 96 Prozent fast vollständig nach den empfohlenen Werten. Allerdings ist fast jede fünfte Kuh (21 Prozent) hinsichtlich des Kuh-Liegeplatz-Verhältnisses in einem überbelegten Stall untergebracht. In anderen Bereichen hat sich bereits einiges im Sinne des Tierwohls getan. Beispielsweise enthornen mehr als 90 Prozent der teilnehmenden Betriebe ihre Kälber mittlerweile nur mit Schmerzmitteln beziehungsweise Sedation.

Biodiversität: Ökologisch wertvolle Flächen, Landschaftselemente wie Hecken oder Bäume und Grünland (etwa Mähweiden und Wiesen) spielen für den Erhalt der biologischen Vielfalt eine bedeutende Rolle – und sind auf den Flächen der befragten Betriebe stark verbreitet. Umgerechnet auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche aller teilnehmenden Betriebe beträgt der Anteil an ökologisch wertvollen Flächen sowie Landschaftselementen drei Prozent. 40 Prozent der Betriebe bewirtschaften einen Teil ihres Grünlandes extensiv, insgesamt fallen 13 Prozent des Grünlandes unter die extensive Bewirtschaftung.

Nährstoffe: Verbesserungsbedarf besteht im Umgang mit der Gülle. Denn: Bisher hat knapp die Hälfte der Landwirte (47 Prozent) angegeben, dass sie die Nährstoffgehalte ihrer Gülle nicht kennen. Auch wird bislang nur ein sehr geringer Anteil der Gülle (fünf Prozent) mit Spezialgeräten direkt in den Boden eingebracht – eine Methode mit stark reduzierten Emissionen. Der Großteil wird nach wie vor bodenfern ausgebracht.

Arbeitsbelastung: Betriebsleiter arbeiteten durchschnittlich 63 Stunden pro Woche. Knapp zwei Drittel (63 Prozent) schätzen ihre eigene Arbeitsbelastung als hoch ein, fast jeder Fünfte (17 Prozent) fühlt sich dauerhaft überlastet. 44 Prozent der Betriebsleiter gaben an, dass sie im letzten Jahr weder Urlaub noch regelmäßig freie Tage hatten. Dieser Bereich gilt als kritisch.

„Mit den Ergebnissen aus den Befragungen wird die Basis für eine molkereiinterne Diskussion über gemeinsame Nachhaltigkeitsziele in der Milcherzeugung geschaffen.“

Dr. Hiltrud Nieberg, Thünen-Institut für Betriebswirtschaft

Ausblick: internationales Lernen und Evaluierung

Das Ziel des Projekts ist weiterhin eine bundesweit möglichst repräsentative Stichprobe, die Aussagen über den Status quo von ausgewählten Nachhaltigkeitsaspekten der Milcherzeugung in Deutschland zulässt. Dabei liegt die Umsetzung der Befragungen in der Eigenverantwortung der Molkereien – und damit auch die Aktivierung der Milcherzeuger, die noch keine Daten abgegeben haben.

Im Gesamtprojekt laufen seit Anfang 2019 sogenannte Umfeldanalysen. Dabei schauen die Projekt-Experten und Wissenschaftler, was sie aus den Nachhaltigkeitsaktivitäten in den Niederlanden, USA, Irland und Neuseeland für die Weiterentwicklung des Konzepts lernen können. Parallel dazu wurde eine erste Evaluierung der Pilotphase des Nachhaltigkeitsmoduls bei den beteiligten Akteuren durchgeführt.

Ende 2019 hat das Projektteam gemeinsam mit Fachwissenschaftlern, Vertretern von NGOs sowie Vertretern der Wertschöpfungskette in mehreren Workshops diskutiert, wie das Modul weiterentwickelt werden kann. Der Fokus lag auf den Kriterien und ihrer Bewertung. Die erarbeiteten Erkenntnisse und Vorschläge werden in die Umsetzung der zweiten Projektphase einfließen, die Mitte 2020 starten wird.

Transparenz der Milchindustrie

Entwickelt wurde das Nachhaltigkeitsmodul Milch vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig zusammen mit dem Projektbüro Land und Markt in Hamburg. Auftraggeber ist der QM-Milch e. V. Ziel ist es, die Transparenz der Milchindustrie gegenüber der Gesellschaft, der Ernährungsindustrie und dem Lebensmittelhandel zu erhöhen und Potenziale für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Milcherzeugung zu identifizieren und zu erschließen (zur Vorgeschichte siehe: "Milch-Perspektiven".